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Ästhetik des Verfalls


Kunstgeschichtlich gehört die Ästhetik des Verfalls zu den jüngeren Themen und wird vorrangig durch die Fotografie vertreten. Wegweisend für die Ästhetik des Verfalls war das Lebenswerk von Bernd und Hilla Becher, die seit den 1970er Jahren Industrieanlagen fotografisch festhielten. Während die Becherschen Werke einen sehr sachlichen und dokumentarischen Stil aufweisen, zeichnet sich die Ästhetik des Verfalls durch eine emotionalere Bildgestaltung aus und überschreitet die Grenze zur Kunst, indem sie gezielt mit Lichtstimmungen und Perspektiven arbeitet.

Das Einfangen besonderer Lichtstimmungen rückt die Arbeiten der Ästhetik des Verfalls oftmals in die Nähe der Romantik Ende des 18. Jahrhunderts. Auch inhaltlich weisen die Ästhetik des Verfalls und die Romantik starke Parallelen auf: Die Hinwendung zur Vergangenheit und der Hang zu einer idealisierenden Darstellung. Die für die Gemälde Caspar David Friedrichs typische Zentralperspektive haben in der Fotografie des späten 20. Jahrhunderts Bernd und Hilla Becher aufgegriffen. Ihre Fotografien von Industrieanlagen und Fördertürmen verbinden die Zentralperspektive der Romantik mit der Nüchternheit der Neuen Sachlichkeit – prägend für die Düsseldorfer Schule.

Seit einigen Jahren erfreuen sich Lost Places als fotografisches Thema wachsender Beliebtheit. Auch das Spektrum der individuellen Bildsprachen und Bearbeitungstechniken wurde stark erweitert. Neben der klassischen Zentralperspektive finden sich zunehmend ungewöhnliche fotografische Blickwinkel - nicht nur bei der typischen Darstellung von Räumen, sondern auch Detailaufnahmen rücken zunehmend in den Fokus der Fotografen. Ein weiterer - und wesentlicher - Unterschied zur Becher-Schule ist die Emotionalität aktueller Fotografien: Diese wird vor allem durch das Einfangen spezieller Lichtstimmungen, die teilweise dramatisch wirken, erzielt.

So wie die Herangehensweise an die einzelnen Motive ist auch die Präsentation bzw. Bildbearbeitung vielfältiger geworden. Neben klassischen SW- und Farbfotografien finden HDR-Bearbeitungen regen Zuspruch bei den Fotografen. Durch Montage von Belichtungsreihen sind die Motive bis in den letzten Winkel detailreich und haben oft eine fast malerische Anmutung.

Die urbEXPO hat es sich zur Aufgabe gemacht, in ihren Gruppenausstellung eine möglichst große Bandbreite an Perspektiven, Bildsprachen und Bearbeitungsstilen zu präsentieren.